Eisenbahn-Geschichte

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Udo Kandler

Herkules, Goliath & Co.

Die Schienenkrane der deutschen Eisenbahnen
152 Seiten mit 228 Abbildungen
300 x 210 mm
ISBN: 978-3-8446-6424-9
Artikel-Nr.:6424
[2021]
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Die Schienenkrane oder Kranwagen, wie sie vorzugsweise von der Deutschen Reichsbahn einmal genannt wurden, sind bis heute unverzichtbarer Bestandteil des Eisenbahnwesens. Sie treten immer dann in Erscheinung, wenn es bei Schwertransporten sperrige wie schwere Lasten zu verladen gilt, beim Ein- und Ausbau von Gleisen und Weichen, der Durchführung von Brückenbaumaßnahmen und sonstigen Bauarbeiten. Aber auch bei Bergungs- und Aufräumarbeiten nach Bahnbetriebsunfällen jedweder Art. In den Bahnbetriebswerken waren gleisfahrbare Krane mitunter für die Bekohlung der Dampflokomotiven zuständig.

Die Einsatzbereiche gestalten sich von jeher vielschichtig, entsprechend erfolgt als wesentliches Merkmal eine Einteilung der Krantypen in unterschiedliche Gewichtsklassen, mit einer Tragfähigkeit von 15 bis 160 Tonnen. Dabei handelt es sich um nicht seitwärts schwenkende Portalkrane, um Vorbaukrane mit geringen Schwenkbereich und um Drehkrane. Zu berücksichtigen sind bei der Auswahl der Krane u.a. die Besonderheiten der Einsatzorte wie etwa Arbeiten unter elektrifizierten Strecken. Bei den Antriebsarten wird zwischen Dampf- und Dieselantrieb unterschieden. Nicht zu vergessen jene mit Hand- und elektrischem Antrieb.

Die unangefochtenen Stars unter den Schienenkranen waren zweifelsohne die längst verschwundenen Dampfboliden, wie sie bei der Deutschen Bundesbahn noch lange im Einsatz standen. Die namhaftesten Hersteller von Eisenbahndrehkranen waren die Firmen Demag, Gottwald, Ardelt, Krupp bzw. Krupp-Ardelt und in der DDR Kirow (heute Kirow Ardelt). Fahrzeug-Bestandslisten aus der Zeit von Reichsbahn und Bundesbahn runden das Bild ab.

  • Vorwort
  • Bescheidene Anfänge
  • Die Entwicklung bei der Deutschen Reichsbahn
  • Die große Zeit der Eisenbahnkrane bei der Deutschen Bundesbahn
  • Typenauswahl – die wichtigsten Kranwagen im Überblick
  • Eisenbahndrehkrane in der DDR
  • Helfer im Gleis- und Weichenbau
  • Bekohlungskrane
  • Die Kranwagen der DB Netz Notfalltechnik
  • Kranwagen in Farbe
  • Quellenverzeichnis

Eisenbahnkrane, Eisenbahndrehkrane, Schienendrehkrane oder Kranwagen treten als sogenannte Nebenfahrzeuge der Bahn immer dann in Erscheinung, wenn das Bewegen schwerer und schwerster Lasten gefragt ist. Für den Betrieb der Eisenbahnen waren und sind Eisenbahnkrane unentbehrliche Helfer, die ihren Dienst oft Abseits der Öffentlichkeit verrichten und in der Regel nur zu besonderen Gelegenheiten wie bei Arbeiten an Verlade-, Bau- oder Unfallstellen zu sehen sind. Vielleicht auch deshalb haben Eisenbahn¬krane im Einsatz ihre eigene Faszination. Jeder kennt Eisenbahnkrane, aber im Detail ist nur wenig über sie bekannt. In der allgemein verfügbaren Literatur finden sich vereinzelte Aufsätze zum Thema Kranwagen, jedoch kaum zusammen¬hängende Informationen. Deshalb soll diese wichtige Fahrzeuggattung hier erstmals mit der Geschichte der deutschen Staatsbahn-Kranwagen ausführlicher gewürdigt werden, die repräsentativ alle grundlegenden technischen Entwicklungen umfasst. Sämtliche jemals in Deutschland vorhandenen Kranwagen zu zeigen wäre unmöglich, und dies war auch nicht das Ziel. Es wurde versucht, die wichtigsten Bauarten – soweit bekannt – ohne Anspruch auf absolute Vollständigkeit vorzustellen.
Die Tragfähigkeit der ersten zweiachsigen Kranwagen war in der Frühzeit der Eisenbahn überaus bescheiden, ¬deren Bedienung noch den vollen Körpereinsatz der Kranmänner erforderte. Noch bis zum Ersten Weltkrieg ge¬hörten zweiachsige Krane mit rund 5?t Traglast und Hand¬antrieb zum Standard bei den Länderbahnen. Auch das Leistungsvermögen der bis dahin gebauten Dampfkrane blieb recht begrenzt. Dennoch wurden bis in die dreißiger Jahre weiterhin auch handbediente Kranwagen neu beschafft, die manchmal sogar noch bis in die sechziger Jahre in Dienst blieben.
Eine wirkliche Leistungssteigerung begann bei den Kranwagen erst nach dem Ersten Weltkrieg mit der weitgehenden Abkehr von der Handbedienung hin zu erheblich verbesserten Dampfantrieben bzw. mit der Nutzung von neuen Verbrennungsmotor- oder Elektroantrieben. Nun setzte eine ¬rasante Fortentwicklung ein. Schon 1928 lieferte der renommierte Kranbauer Ardelt aus Eberswalde zwei 60-t-Krane mit Dampf- und Benzolmotor-Antrieb an die Reichsbahn. Bereits im Jahr darauf kamen fünf 25-t-Brückenbau-Dampfkrane hinzu.
Weitere Kranbauer wie etwa Beck & Henkel aus Kassel, die Demag aus Düsseldorf, Unruh & Liebig aus Leipzig und andere Anbieter lieferten ihre Produkte an die Reichsbahn. Bei aller Konkurrenz vermochte sich Ardelt unter den Kranwagenherstellern als „Platzhirsch“ zu positionieren. Weiterführende Innovationen aus Eberswalde ließen nicht lange auf sich warten. Schon 1934 und 1937 folgten zwei deutlich leistungsfähigere sechsachsige Kranwagen mit Dampf¬antrieb, nun mit respektablen 75 und 90 t Tragfähigkeit, und 1935 ein achtachsiger 40-t-Brückenbaukran.
Während des Zweiten Weltkriegs stagnierte der Kranbau weitgehend, danach gingen die Firmen in den beiden deutschen Staaten unterschiedliche Wege. Ardelt siedelte nach Osnabrück bzw. Wilhelmshaven in den Westen über und firmierte bald schon unter Krupp-Ardelt, bevor das Unternehmen zur Gänze im Krupp-Konzern aufging.
In der DDR wurde 1954 aus der Maschinenfabrik Unruh & Liebig AG der VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow Leipzig. Die Leipziger Eisenbahndrehkrane (EDK) brauchten sich vor der westlichen Konkurrenz wahrlich nicht zu verstecken. Dem erstmals 1961 gebauten EDK 1000 hatte der Westen hinsichtlich seiner Tragfähigkeit von 125 t zu diesem Zeitpunkt wenig entgegenzusetzen, ganz zu schweigen vom ab 1971 gefertigten EDK 2000 mit seinen 250 t Tragfähigkeit (wenngleich nicht für den DDR-Einsatz konzipiert). Bei Krupp war mit dem 1976/77 an die DB gelieferten dieselhydraulischen 150-t-Kranwagen das Ende der Entwicklung erreicht.
Derzeit unterhält DB Netz Notfalltechnik vorrangig für den Einsatz nach Unfällen noch Kranwagen vom Leipziger Kranspezialisten und Weltmarktführer Kirow. Darüber hinaus verfügt die DB?AG lediglich noch über im Gleisbau verwendete Kranwagen untergeordneter Bauart. Das Gros der für die Instand¬haltung der Bahninfrastruktur (Gleis- und Brückenbau etc.) benötigten Krane stellen heute durchweg private Gleisbauunter¬nehmen. Die große Zeit der Eisenbahnkrane unter Bahnregie ist lange vorbei, nicht zufällig ist deshalb der Inhalt der nachfolgenden Seiten eine retrospektive Betrachtung.
Ein herzliches Dankeschön gebührt allen, die zum Gelingen des Titels beigetragen haben. Für seine sachdienlichen Hinweise sei Mike Feller gedankt und natürlich Carsten Hilbers als profunden Kenner der Eisenbahnkran-Szene. Ohne seine tatkräftige Unterstützung wäre das Buch in der vorliegenden Form kaum machbar gewesen.

Wachtberg, im April 2021             Udo Kandler



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